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AutorenbildGerd Neubauer, MSc

Warum ich mir in der Trauer Hilfe holte: Ein Bericht einer Trauernden über die Trauerbegleitung


Verstanden sein in der Trauer, Halt und Orientierung finden, neue Perspektiven fürs Leben erkennen – was Begleitung in der Trauer für uns tun kann.

50 Jahre nicht verarbeiteter Trauerschmerz, und dann auch noch ein akuter Verlust: Es war für mich höchste Zeit, die Unterstützung eines Trauerbegleiters zu suchen. Mit seiner Hilfe habe ich begriffen, dass ich einen völlig neuen Lebensabschnitt zu beginnen habe. Denn mit dem Abschied von einem geliebten Menschen ist nichts mehr, wie es war. Niemand kann einem die Trauer abnehmen, aber mit professioneller Hilfe kann man lernen, mit der Trauer umzugehen und mit ihr (gut) zu leben.

Mittlerweile habe ich das Rentenalter überschritten. Als mein über alles geliebter Vater im 52. Lebensjahr starb, war ich 14 Jahre alt. Der Schock über seinen Tod und die über fast 50 Jahre verdrängte Trauer haben mich krank gemacht. Im Alter von 29 Jahren fand ich meinen ersten Ehemann, unsere Tochter war damals zwei Jahre alt, tot auf einem Acker. Er starb mit 32 Jahren an einem Herzinfarkt. Mit 63 Jahren begleitete ich die Liebe meines Lebens über fast fünf Wochen bis zum Tod.

Dass ich nun dringend Hilfe benötigte, war mir „eigentlich klar“, aber wo sollte ich sie finden? Psychotherapie war für mich keine Option – ich war ja nicht krank, sondern „nur“ in Trauer. So stieß ich bei der Recherche im Internet auf den Begriff „Trauerbegleitung“. Ich wählte diesen Weg und nun, etwas zwei Jahre nach dem Tod meines geliebten Mannes, fühle ich mich besser. Vor allem ist für mich das Leben wieder lebenswert geworden.

Es war ein sehr, sehr schwerer Weg, bis ich mich zu diesem Schritt entschließen konnte.

Im Nachhinein sehe ich das Hauptproblem nach meinem Verlust in einem mangelnden Vertrauen „allen Menschen gegenüber“. Mit ein Grund waren wahrscheinlich die vielen leeren Floskeln, die ich als Trauernde zu hören bekam. Erschwerend kam noch dazu, dass ich mich in der ersten Zeit der Trauer in einer Art des „Funktionierens“ befand. In diesem Zustand werden Entscheidungen nur vom Verstand her getroffen, mir kommt vor, als wäre das Unbewusste durch den Schmerz „zugeschüttet“, ja „ausgeschaltet“. Und so merkt man auch nicht, dass man sich unbewusst an jeden Strohhalm klammert, der einem hilfreich erscheint. Die vielen Verluste, die mein Leben prägten, machten mich feinfühlig und skeptisch. Es ist nicht einfach, so die/den richtige/n Trauerbegleiter/in zu finden. Ich legte auch viel Wert auf die Qualifikation – die/derjenige sollte auch eine psychologische oder psychosoziale Ausbildung haben. Als es endlich so weit war, lernte ich unter anderem auch, wieder Vertrauen in meine Gefühle und Intuitionen zu haben.

Wie erging es mir bis zum Beginn der Trauerbegleitung?

Ich kann erst jetzt beschreiben, wie ich mein früheres Dasein empfunden habe. Mit ist erst durch die Begleitung bewusst geworden, was alles nicht in Ordnung war. Ich fühlte Leere, Ohnmacht, Niedergeschlagenheit, tiefe Traurigkeit – ein Meer der Gefühle, das mich nicht trug. Die Frage „Warum gerade ich?!“ stand viele Jahre meines Lebens im Vordergrund. Mir ist mittlerweile klar geworden, dass ein großer Teil meiner eigenen Identität mit meinem Vater gestorben ist. Da sein Tod in die Zeit meiner Pubertät fiel, erkannte ich erst jetzt nach Jahrzehnten, wer ich bin, was ich kann und vor allem, was ich in meinem Leben geleistet habe.

Was war es letztlich, da mir den Mut gegeben hat, Hilfe anzunehmen?

Die psychische und physische Belastung über all die Jahre war extrem. Irgendwie wollte ich „nicht so enden“, und „das kann doch nicht alles gewesen sein“. Mir war klar, dass ich da allein nicht weiterkam, dass ich professionelle Hilfe brauchte. In der schwierigsten Phase fand ich zu meinem christlichen Glauben zurück, den mir mein Vater „in die Wiege gelegt“ hatte. Heute ist das Vertrauen in Gott mein größter Halt, wobei ich keine Freundin von Extremen bin.

Nicht ganz neun Jahre größtes Glück

Am Ende des Jahres nach unserer Hochzeit bekam mein zweiter Mann die Diagnose Krebs. Unbewusst war mir sofort klar: Das ist das Ende. Wahrhaben wollte ich es natürlich nicht und in meinem Kopf kreiste nur: „Nicht schon wieder … einen geliebten Menschen hergeben müssen …“ Doch alles Verdrängen half nichts, drei Jahre nach der Diagnose musste ich mich der Situation stellen und meinen geliebten Engel bis zu seinem Tod begleiten.

Die Liebe meines Lebens starb im Februar, im Mai desselben Jahres entschloss ich mich, an jenen Urlaubsort zu fahren, an dem wir noch im Herbst vor seinem Tod waren. In derselben Ferienwohnung wie einst ließ ich zum ersten Mal (!) wirkliche Trauer zu, ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Ich war allein, nur unser Hund war bei mir, der Platz meines Mannes war leer, und doch spürte ich wie nie zuvor, dass er mir ganz nahe war. Diese Zeit war gleichermaßen schwer und wunderschön.

Zunächst hatte ich mir ein Buch besorgt: „Leben in der Spur des Todes“ von Pamela Katharina Körner. Diese Lektüre konfrontierte mich schonungslos mit meiner Trauer und vor allem mit der Erkenntnis, was Trauer für ein/mein Leben bedeutet. Das war der Punkt, an dem ich mich entschloss, Trauerbegleitung in Anspruch zu nehmen. Denn nun war mir klar, dass unbe-/unverarbeitete Trauer krank machen kann.

Was hat mir die Trauerbegleitung gebracht?

Ich wurde in meiner Trauer verstanden, mir wurde Halt geboten und Orientierung, ich wurde dabei unterstützt, eine neue Lebensperspektive zu finden. Um die Website meines Trauerbegleiters zu zitieren:

Ja, es kann nicht mehr so werden, wie es war, doch es kann anders und „trotzdem“ schön werden. Daran dürfen Sie glauben! Die Trauerbegleitung kann Ihnen dabei helfen:

  • Ihre Worte wiederzufinden.

  • Die Realität des Verlustes zu begreifen.

  • Erinnerungen als heilsam zu erleben.

  • Eine neue Form der inneren Beziehung zum geliebten Verstorbenen zu finden und zu festigen.

  • Den Tod als Teil unseres Lebens anzuerkennen und einen (neuen) Sinn darin zu finden.

  • Den Verlust auch nach Jahren zu bewältigen.

Mir hat diese Form der Begleitung fast das Leben gerettet, und inzwischen habe ich es geschafft, ein ganz anderes, ein lebenswertes Leben zu führen.

Bei anderen Menschen und in der Gesellschaft fehlt weitestgehend das Verständnis für Trauernde – Floskeln und Ratschläge sind wohl gut gemeint, aber wenig hilfreich. In der Begleitung fühlte ich mich mit meiner Trauer angenommen. Heute weiß ich, dass meine Trauer mich und mein Verhalten verändert hat – auch das kann ich jetzt bejahen.

Die Trauerbegleitung hat mir ermöglicht, meine Liebe und meine Dankbarkeit für meine Verstorbenen im täglichen Leben umzusetzen und so meinen Weg der Trauer zu gehen. Heute habe ich eine innere und innige Beziehung zu meinen Verstorbenen, und sie begleiten mich durch mein neues Leben.

Wenn Sie in einer vergleichbaren Situation sind: Wagen Sie es, versuchen Sie es – rufen Sie an, schreiben Sie, suchen und finden Sie Hilfe zur Selbsthilfe.

 

MEHR INFO:

Mehr über meine achtsame Trauerbegleitung, mein Angebot und mich finden Sie auf meiner Webseite: www.gerdneubauer.at

Besuchen Sie mich auf Facebook unter: Trauer und Verlust bewältigen - Gerd Neubauer

Bilder: © AntonioGuillem,Taigi,Yastremska,Gavrilova/bigstockphoto.com

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